08

Aug 2016

08

Aug 2016

Die Finanzbranche und der Edelmetallmarkt nach dem Stresstest

By StoneX Bullion

Als Handelsunternehmen für Investmentprodukte ist StoneX Bullion stets daran interessiert, die nationalen und internationalen Finanzmärkte im Blick zu haben. Aus diesem Grund haben wir uns die aktuelle Finanzmarktsituation in Europa genauer angeschaut und uns der Frage gewidmet, was in nächster Zeit für den Edelmetallmarkt zu erwarten ist.

Kürzlich sind die Ergebnisse des Stresstest der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde veröffentlich und eigentlich haben die meisten europäischen Banken relativ gut abgeschnitten. Die Eurozone steht also besser dar, als es ihr Ruf manchmal denken lässt. Trotzdem gibt es einige Faktoren, die Anlass zur Beunruhigung bieten.

Was ist eigentlich ein „Stresstest“?

So genannte Stresstest wurden nach der Finanzkrise 2008 eingeführt. Im Rahmen eines solchen Tests wird ein Krisenszenario simuliert, welches auf die Finanzinstitute entsprechend festgelegter Parameter einwirkt. Ein Szenario könnten stark veränderte Rohstoffpreise sein, beispielsweise ein starker Anstieg des Ölpreises aufgrund einer Krise im Nahen Osten. Daraus folgen Einbrüche zahlreicher Aktienwerte und ein schneller Preisanstieg vieler Güter. Getestet wird dann, wie die Kreditinstitute auf die veränderte volkswirtschaftliche Lage reagieren würden. Ein besonderes Augenmerk liegt auf dem Cashflow. Für den Test werden aktuellen Investitionen der Finanzunternehmen, Geschäftsverhalten und rechtliche Risiken als Grundlage für die Berechnungen genutzt. Das Ergebnis stellt dabei keine Voraussage für zukünftige Ereignisse dar, sondern dient als Richtwert für die aktuelle Situation der Institute.

Deutsche Bank bietet Anlass zur Sorge

Ein Faktor ist die momentane Lage der Deutschen Bank. Nachdem das Geldhaus in den letzten Jahren immer wieder in rechtliche Auseinandersetzungen verwickelt war, hat sich der Wert der Aktie innerhalb der letzten zwölf Monate halbiert. Und auch im Stresstest landete das größte Finanzinstitut der größten Volkswirtschaft der Eurozone unter den zehn Banken, die im Test schlechtesten abschnitten. Zwar verfügt die Bank derzeit noch über eine Kerneigenkapitalquote von 10.1%, hat aber gleichzeitig eine sogenannten Hebel von 1:108. Das bedeutet, dass die Summe der Kredite, welche die Bank vergeben hat, 108-mal so groß ist, wie das feste Eigenkapital. Bei Lehman lag der Hebel bei 1:31 und schon diese Quote hatte weitreichende Folgen. Ein Großteil der Kredite der Deutschen Bank wurde in Form von Staatsanleihen vergeben und davon wiederum ein Großteil sind wahrscheinlich deutsche Staatsanleihen. Wie groß der Anteil italienischer und sonstiger europäischer Staatsanleihen ist, muss der Spekulation überlassen bleiben. Aber es ist davon auszugehen, dass er nicht unerheblich ist. Und die Deutsche Bank damit die wachsenden Risiken der italienischen Volkswirtschaft mitträgt. Der IWF sieht aktuell in der Deutschen Bank sogar das größte Systemrisiko für die Finanzwirtschaft.

Italiens Banken mit faulen Krediten

Sollte die Deutsche Bank tatsächlich in größerem Rahmen in Italien investiert sein, ergeben sich hieraus weitreichendere Probleme. Im Moment ist davon auszugehen, dass italienische Banken – einer der Fokuspunkte des Stresstests – faule Kredite von rund 360 Millionen Euro in den Büchern stehen haben. Davon sind 200 Millionen so gut wie abgeschrieben, da sie von insolventen Schuldnern nicht mehr zurückgezahlt werden können. Kredite also, die unter Umständen von Aktionäre und Gläubiger finanziert werden müssten. Doch allein bei der Monte dei Paschi, die größte Bank des Landes und gleichzeitig auch die älteste der Welt, haben 60.000 Sparer rund fünf Milliarden Euro an Einlagen. Unvorstellbar also, dass diese Sparer ohne staatliche Hilfe auskommen könnten. Der Plan der italienischen Regierung sieht vor, dass die Cassa Depositi e Prestiti das angeschlagene Kreditinstitut stützen soll. Die Cassa Depositi e Prestiti ist mit der deutschen KfW vergleichbar – letztlich wäre es also doch der Staat, der einspringt.

Neue Bankenkrise und die politische Folgen

Was der Stresstest offenbart hat, könnte weitreichendere Folgen haben, als auf den ersten Blick ersichtlich ist. Dass die europäischen Banken in einer tiefen Krise stecken, ist klar. Aber wie wird sich diese Krise auf die wirtschaftliche Stabilität in den betroffenen Ländern auswirken? Was, wenn wirklich der italienische Staat seine Banken retten muss? Und wenn die Deutsche Bank ebenfalls eine Finanzspritze braucht? Die politischen Folgen sind schwer abzusehen. Bereits die Finanzkrise 2008 hat zu weitreichender Verunsicherung bei den Bürgerinnen und Bürgern in Europa geführt. Eine erneute Krise, innerhalb so kurzer Zeit und mit einem Epizentrum auf dem eigenen Kontinent könnte zu einer ernsthaften politischen und wirtschaftlichen Destabilisierung der Eurozone führen.

Was bedeutet die Entwicklung für den Edelmetallmarkt?

Unter Anbetracht der historischen Preisentwicklung würde eine erneute Bankenkrise den Goldpreis – und mit ihm den Silberpreis – in neue Höhen treiben. Zwar hat sich der Goldpreis nach dem explosionsartigen Anstieg im Rahmen der Krise nach 2007 wieder etwas erholt, das Niveau ist aber immer noch weit über dem vor der Finanzkrise. Eine erneute Krise würde aller Wahrscheinlichkeit nach eine ähnliche Preissteigerung bedeuten. In jedem Fall kurzfristig, wahrscheinlich auch langfristig. Einige Großanleger haben sich bereits in den letzten Monaten mit Edelmetallen eingedeckt, auch das Interesse von Privatanlegern hat in diesem Zeitraum spürbar zugenommen. Eine Krise, die nicht nur Europa treffen, sondern von dort ausgehen würde, wären auch institutionelle Investoren wie Rentenfonds und Großbanken stärker betroffen, worunter wiederum private Anleger leiden würden, die sich bei der Vorsorge und dem Werterhalt nur auf Bargeld und Finanzmarktprodukte verlassen haben.

Tags